Der Bausachverständige 1/2016 | Pia Haun: Schimmelpilzschäden an Eichenholzfenstern | Seite 4
Der Bausachverständige 1/2016 | Pia Haun: Schimmelpilzschäden an Eichenholzfenstern | Seite 4

Fachbeiträge

Schimmelpilzschäden an Eichenholzfenstern

Pia Haun

 

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Abb. 9 | Entfernung der Beschichtung für eine Materialprobe am gleichen Fenster wie bei Abb. Nr. 8 Holz weist nach dem Entfernen der Beschichtung keine Verfärbungen auf Abb. 9 | Entfernung der Beschichtung für eine Materialprobe am gleichen Fenster wie bei Abb. Nr. 8 Holz weist nach dem Entfernen der Beschichtung keine Verfärbungen auf

5.4 | Probennahmestrategie

Mittels Probenahme sollte unter anderem geklärt werden, ob es sich bei den Verfärbungen um mikrobiellen Befall handelt. Da es zu beweisen galt, dass im Gebäude zumindest zeitweise Bedingungen für Schimmelpilzwachstum vorlagen, war gleichzeitig davon auszugehen, dass nicht nur die Fenster, sondern auch andere Oberflächen bzw. Baustoffe Schimmelpilzschäden aufweisen. Da die im Obergeschoss verbauten OSB-Platten zumindest Bläuebefall zeigten und ein Teil der Bläuepilze den Schimmelpilzen zuzuordnen sind, wurde deren Oberfläche sowie ein stark verfärbter Fensterrahmen mittels Klebestreifen beprobt.

 

Im Vergleich zu dieser Probe wurde die Beschichtung am gleichen Rahmen abgeschabt, um das Material mittels Suspension im Labor auf Nährböden anzüchten zu lassen. Dabei stellte sich heraus, dass mit der Entfernung der Beschichtung die Verfärbung vollkommen entfernt wurde. Die Proben wurden vor Ort eindeutig beschriftet und an die Umweltmykologie Berlin zwecks fachgerechter Analyse versendet.

6 | Auswertung der vorliegenden Unterlagen und Bewertung der Indizien

Die kapazitive Messmethode ist in keinster Weise geeignet, orientierende Holzfeuchtemessungen an Fenstern durchzuführen: Zum einen sind die Randabstände zu gering, zum anderen werden die Ergebnisse durch die Metallbeschläge beeinflusst. Auch zur Messung der Materialfeuchte der OSB-Platten ist diese Methode vollkommen ungeeignet.

 

Der Beschichtungsaufbau, der im Werk aufgebracht wird, zeichnet sich dadurch aus, dass die Außenbeschichtung diffusionsoffener ist als die Innenbeschichtung. Zugleich wird im Technischen Datenblatt der Beschichtung darauf verwiesen, dass die maximal zulässige Holzfeuchte bei Laubholz lediglich 12 % betragen darf. Da das Werk nicht nur eigen-, sondern auch fremdüberwacht ist und keine Schäden an der Beschichtung auf Grund zu nassen Holzes erkennbar sind, ist zu folgern, dass die Fenster, zumindest im Werk, ausreichend getrocknet waren.

 

Da es in der Ausführungsphase zu einer Woche Bauverzögerung kam, hätten die Fenster während der Zwischenlagerung in einer Halle des Fensterfachbetriebs, deren Raumklima bislang nicht kontrolliert wird, in einem unzulässigen Maß aufgefeuchtet werden können. Dies konnte jedoch ausgeschlossen werden: Mit einer Erhöhung der Materialfeuchtigkeit hätten Quellprozesse des Holzes dazu geführt, dass sich die Fenster nicht mehr problemlos öffnen und schließen ließen. Dass dies zumindest zum Zeitpunkt der Abnahme nicht der Fall war, wurde von beiden Parteien bestätigt. Stattdessen wurde jedoch angegeben, dass die Funktionstauglichkeit seit dem Einbau nachließ – ein Indiz für eine Erhöhung der Materialfeuchte. Das Fenster, das die stärksten Verfärbungen aufweist, ließ sich zeitweise nur mit Kraftanstrengung öffnen.

Abb. 10 | OSB-Platten mit sichtbarem Befall, Beprobung der Oberfläche Abb. 10 | OSB-Platten mit sichtbarem Befall, Beprobung der Oberfläche

In keiner der vorangegangenen Begutachtungen wird darauf Bezug genommen, dass die Verfärbungen fast ausschließlich im Obergeschoss und Treppenhaus aufgetreten sind. Es ist unwahrscheinlich, dass Fenster mit einer geringeren Qualität oder hohen Holzfeuchte ausschließlich dort eingebaut worden sind. Stattdessen ist es nachvollziehbar, dass infolge thermischer Luftbewegung durch das offene Treppenhaus warme, feuchte Luft in die Etage gelangt ist und dort zum Anstieg der relativen Luftfeuchtigkeit sowie der Materialfeuchtigkeiten geführt hat. Dadurch, dass die Fenster tagsüber auf Dauerkippstellung standen, stieg die relative Luftfeuchte im Bereich der ausgekühlten Oberflächen an.

 

Dies erklärt auch, warum die stärksten Verfärbungen sich am unteren waagerechten Rahmenholz und Fensterflügel gebildet haben, nämlich dort, wo die Luftströmung ungünstig war. Die Verfärbung hört charakteristischerweise mit dem Dichtungsgummi auf.

 

Dass die Schäden an den feststehenden Treppenhausfenstern besonders ausgeprägt sind, erklärt sich daher, dass hier keine Lüftungsvorgänge stattfanden. Hier weisen die Fenster nicht nur Verfärbungen und offene Gehrungsfugen auf, sondern es haben sich zudem auch Wasserlaufspuren gebildet. Dies ist ein Zeichen dafür, dass nach dem Einbau zeitweise Bedingungen für Tauwasserbildung herrschten.

 

Dass geöffnete Gehrungen und Versätze zwischen senkrechten und waagerechten Rahmenhölzern weitere Indizien für zu hohe Materialfeuchte sind, erklärt sich durch das unterschiedliche Quellund Schwindverhalten von Holz in Längs-, Radial- und Tangentialrichtung. Dabei kann die Längenänderung in Längsrichtung vernachlässigt werden. Dadurch, dass die Fenster im Werk fertigt umfalzt waren, müssen die Versätze zwischen senkrechten und waagerechten Hölzern im Anschluss entstanden sein. Die Skizze 1 veranschaulicht, wie sich Verbindungen infolge Quellens ändern.

 

Ein weiteres starkes Indiz für zu hohe Baufeuchte ist Weißrost, der sich an den offenen Zink-Beschlägen im Obergeschoss gebildet hat. Zink bildet in Anwesenheit von Wasser und Kohlendioxid aus der Atmosphäre/ Raumluft eine witterungsbeständige Schutzschicht. Wenn infolge eines Wasserfilms nicht ausreichend Kohlendioxid an die Materialoberfläche gelangt, wird die Bildung einer schützenden Zinkcarbonatschicht unterbunden. In diesem Fall reagieren Wasser und Zink zu wasserlöslichem Zinkhydroxid (= Weißrost).

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